Für den geplanten Sommerurlaub 2019 hatte ich mir eingebildet, unbedingt ein Teleobjektiv mit etwa 200mm Brennweite zu benötigen. Eigentlich wollte ich ja mein Nikkor AIS f/4 200mm nehmen, das funktionierte sehr gut mit einem Adapter an meiner Leica SL. Da ich in letzter Zeit meine Landschaftsaufnahmen ausschließlich mit einem Stativ mache, war auch die relativ geringe Lichtstärke kein Problem - im Gegenteil, bedeutete sie doch auch ein geringes Gewicht. Allerdings habe ich in den letzten Jahren auch wieder mehr Wert auf Schärfe gelegt, und da schien mir bei diesem Objektiv noch etwas Luft nach oben zu sein. Also wollte ich mir ein besseres gönnen. In Frage kam aber leider nur ein adaptiertes Objektiv, da es für die Leica SL keine native Festbrennweite in diesem Bereich gibt. Die Entscheidung fiel letztendlich auf das Nikkor AIS ED f/2.8 180mm, das ich an dieser Stelle einmal kurz vorstellen möchte.
Das Nikkor AIS ED f/2.8 180mm ist ein manuelles Teleobjektiv für Spiegelreflexkameras von Nikon und wurde in den Jahren 1981 bis 2005 gebaut. Mit einem passenden Adapter ist es aber an nahezu allen spiegellosen Systemkameras und auch an vielen Spiegelreflexkameras anderer Hersteller zu verwenden. Bei mir wird es vor allem an der Leica SL und gelegentlich an der Nikon D700 eingesetzt.
Obwohl das Objektiv ursprünglich nicht unbedingt für die Landschaftsfotografie entwickelt wurde, soll es in meinem speziellen Fall genau dafür eingesetzt werden. Gefordert ist daher vor allem eine hohe Schärfe bei f/8 oder f/11 im Fernbereich. Wie gut es diese Forderung erfüllt, wird es im Laufe dieses kleinen Tests hoffentlich zeigen.
Weder an der Leica SL noch an der Nikon D700 sieht das Nikkor besonders zierlich aus. Und das obwohl diese beiden Kameras auch nicht gerade zu den kleinsten ihrer Art gehören.
In der folgenden Tabelle sind die technischen Daten des Objektivs zusammengetragen. Die Werte, die ich selbst messen konnte, habe ich auch selbst gemmesen, wie zum Beispiel Länge, Durchmesser und Gewicht. Der Drehwinkel des Fokusrings ist allerdings nur geschätzt.
Technische Daten | |
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Optischer Aufbau | 5 Linsen in 5 Gruppen |
Bildwinkel | circa 13,6° KB |
Max. Blende | 2,8 |
Min. Blende | 32 |
Blendenlamellen | 9 |
Naheinstellgrenze | circa 180cm |
Fokusdrehwinkel | circa 190° |
Filtergewinde | 72mm |
Durchmesser | 79mm |
Länge | 130mm |
Gewicht | 800g |
Kameraanschluss | Nikon-F (AIS) |
Die Bedienung des Objektivs lässt keine Wünsche offen. Der große, gummierte Fokusring läuft sauber und gleichmäßig und der Blendenring rastet sauber in ganzen Stufen ein. Komfortabel ist auch die ausziehbare Streulichtblende, obwohl die bei meinem Exemplar nikontypisch etwas wacklig ist.
Hier kommen wir jetzt zu dem Punkt, der den Kauf dieses Objektivs »gefordert« hat. Ist es besser als das Nikkor AIS f/4 200mm? Um das zu ermitteln habe ich einige Testfotos bei unterschiedlicher Blende gemacht und die Ergebnisse verglichen.
Nikkor AIS ED f/2.8 180mm @f/2.8 Bildmitte
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Nikkor AIS ED f/2.8 180mm @f/2.8 unten links
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Nikkor AIS f/4 200mm @f/4 Bildmitte
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Nikkor AIS ED f/2.8 180mm @f/4 Bildmitte
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Nikkor AIS f/4 200mm @f/4 unten links
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Nikkor AIS ED f/2.8 180mm @f/4 unten links
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Nikkor AIS f/4 200mm @f/11 Bildmitte
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Nikkor AIS ED f/2.8 180mm @f/11 Bildmitte
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Nikkor AIS f/4 200mm @f/11 unten links
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Nikkor AIS ED f/2.8 180mm @f/11 unten links
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Ich muss gestehen, dass mich das Ergebnis mehr als überrascht hat. Bei
f/2.8 steht das 180er ja noch alleine dar, das 200er hat ja als größte
Öffnung f/4, deshalb gibt es da natürlich keinen Vergleich. In der
Mitte ist die Schärfe ganz ok, aber schon deutlich weicher als bei f/4.
Auch in der Ecke ist es noch etwas weich bei f/2.8. Aber das ist noch nicht die
Überraschung, die kommt bei f/4.
Ab f/4 geht dann der Vergleich los. Hier ist das 180er in der Mitte sehr scharf,
deutlich schärfer als das 200er. In der Ecke ist es aber genau anders herum,
da ist das 200er sehr scharf, während das 180er im Vergleich deutlich
schwächelt.
Bei f/11 ist das 180er schön ausgeglichen, die Mitte ist einen Hauch weicher,
als bei f/4, aber die Ecke ist deutlich schärfer. Das 200er ist in der
Mitte halbwegs scharf, etwa so wie bei f/4 und deutlich weicher als das
180er. In der Ecke ist es deutlich weicher als bei f/4 und etwa gleich auf mit
dem 180er.
Überrascht hat mich vor allem die Eckenschärfe des 200er bei f/4. Da kommt auch das 180er bei f/11 nicht ran. Aber abgesehen von den Ecken ist bei f/11, also einer der Blenden, die typischerweise bei Landschaftsaufnahmen verwendet werden, das 180er insgesamt leicht vorne.
Die Ergebnisse sind allerdings mit Vorsicht zu genießen, da die gezeigten Häuser in der Ecke nicht in der selben Ebene wie der Turm, auf den fokussiert wurde, liegen. Aber ich hoffe, dass bei einer Entfernung von mehreren Kilometern dieser Fehler eine nicht so große Rolle spielt.
@f/2.8 Ausschnitt
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@f/8 Ausschnitt
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@f/2.8 Ausschnitt hinter der Schärfeebene
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@f/2.8 Ausschnitt vor der Schärfeebene
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@f/8 Ausschnitt hinter der Schärfeebene
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@f/8 Ausschnitt vor der Schärfeebene
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Farbsäume sind an dem Nikkor kein sehr großes Problem. Bei dem Fernglas konnten auch bei strahlendem Sonnenschein an keiner Stelle irgendwelche relevanten Farbsäume festgestellt werden. Bei dem Brunnen im Gegenlicht sah das zumindest bei Offenblende etwas anders aus. Aber Abblenden half auch da schon ganz gut. Insgesamt konnte ich bei meinen normalen Arbeiten keine Probleme mit Farbsäumen feststellen.
Ich hatte schon etwas Probleme, mit dem Nikkor überhaupt Flares zu erzeugen.
Das lag vermutlich auch etwas daran, dass ich Hemmungen hatte, mit einem Tele-Objektiv
direkt in die Sonne zu fotografieren. Doch dann kam ich bei einem Schwenk doch so nah
an die strahlende Sonne heran, dass sich Flares bildeten. In dieser Situation war es
dann auch völlig egal, ob die Streulichtblende ein- oder ausgefahren war. Auch
Abblenden half dann nicht mehr, die Flares wurden nur kleiner und eckiger. Allerdings
muss ich auch sagen, dass ich normalerweise nie so in die Sonne fotografieren würde.
In normalen Situation sind Flares nicht zu erwarten.
Generell kann ich zur Streulichtblende sagen, dass ich in keiner Situation einen
Unterschied mit oder ohne Streulichtblende festgestellt habe. Aus meiner Sicht ist
sie nutzlos, wird aber auch nicht wirklich gebraucht, da das Objektiv in jeder
Situation auch ohne Blende kontrastreich abbildet.
Nikkor AIS f/2.8 180mm Hintergrundbokeh @f/2.8
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Nikkor AIS f/2.8 180mm Vordergrundbokeh @f/2.8
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Die meisten Bokehbilder sind mit Offenblende (f/2.8) gemacht worden, und weil das mit dem Nikkor so viel Spaß gemacht hat, kommen hier noch ein paar mehr.
Nikkor AIS f/2.8 180mm @f/2.8
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Nikkor AIS f/2.8 180mm @f/2.8
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Nikkor AIS f/2.8 180mm @f/2.8
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Nikkor AIS f/2.8 180mm @f/2.8
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Nikkor AIS f/2.8 180mm @f/2.8
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Das Bokeh macht insgesamt einen guten Eindruck. Bei Offenblende ist es
in der Regel sehr weich und cremig, lediglich wenn das Hauptmotiv etwas
weiter entfernt ist, kann der Hintergrund schon mal etwas unruhiger
wirken, aber das liegt sicher zumindest zum Teil eben auch an den
optisch-physikalischen Gesetzen.
Bei etwas geschlossener Blende sieht man allerdings bei Spitzlichtern
schon mal leicht angedeutet ein neuneckiges Polygon. Aber wenigstens
sind es 9 Blendenlamellen und nicht nur 6 oder 7. Trotzdem wären
abgerundete Lamellen sicher noch etwas schöner.
Nikkor AIS f/2.8 180mm @f/2.8
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Nikkor AIS f/2.8 180mm @f/5.6
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Bis auf den gummierten Fokusring besteht das Objektiv nur aus Metall und Glas. Sämtliche Beschriftungen sind graviert und auch nach Jahren noch gut abzulesen. Bis auf die etwas wacklige Streulichtblende gibt es mechanisch nichts auszusetzen. Der Fokusring setzt der Bewegung einen angenehm gleichmäßigen Widerstand entgegen und auch der Blendenring klickt deutlich spürbar bei ganzen Blenden. Haptisch ist das Objektiv ein Traum.
Das Nikkor AIS ED f/2.8 180mm ist ein gutes Objektiv und für den
angestrebten Einsatzbereich durchaus eine deutliche Verbesserung. Dafür
muss man aber auch ein deutlich höheres Gewicht in Kauf nehmen. Durch
eine Blendenstufe mehr an Lichtstärke, im Vergleich zum Nikkor AIS f/4
200mm, erweitern sich zudem die Einsatzmöglichkeiten, da das Objektiv
bei Offenblende zwar nicht so scharf ist, wie abgeblendet, aber durchaus
gut verwendet werden kann.
Interessant wäre es zu wissen, wie das Objektiv gegen ein modernes
Objektiv, zum Beispiel das neue Panasonic Lumix S Pro 70-200mm f/4 O.I.S.,
abschneidet. Vielleicht ergibt sich ja mal die Möglichkeit, das
auszuprobieren. Bisher bin ich jedenfalls sehr zufrieden mit dem Nikkor
AIS ED f/2.8 180mm.
Die Beispielbilder zeigen, wie immer bei mir, was das Objektiv bei meinem Workflow zu leisten im Stande ist. Das heißt, die Bilder sind so bearbeitet, wie ich es normalerweise immer mache. Als echte Leistungsbeweise sind sie daher vielleicht nicht ganz so gut geeignet.